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Kritiken (2 780)

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Bones and All (2022) 

Deutsch Luca Guadagnino füllt eine Lücke in der Kinematografie. Eine im kleinen Rahmen gehaltene Analyse des Outsider-Lebens von Personen, die süchtig nach Menschenfleisch sind. Die Existenz von verzweifelten Individuen am Rande der Gesellschaft, eine Art Paraphrase des fantastischen Vampir-Themas. Die Notwendigkeit, seine eigene Persönlichkeit zu verbergen, die Erforschung der Familiengeschichte, um sich selbst und seinen Platz auf der Welt zu verstehen. Gleichzeitig aber auch eine zarte Romantik, die davon erzählt, wie wichtig es ist, seinen Seelenverwandten zu finden. Der Film enthält grauenhaftere und blutigere Szenen, als man von einem globalen Vertrieb mit einem künstlerischen Aspekt und Timothée Chalamet erwarten würde. Mainstream-Zuschauer*innen werden den Film ekelhaft und unerträglich finden, obwohl seine Handlung ein klassisches Beziehungs-Roadmovie mit einem klischeehaften Genre-Höhepunkt ist. Einen schwächeren vierten Stern gebe ich für den Mut, durch eine künstlerische Form über die größten gesellschaftlichen Tabus zu erzählen, und für das geniale Casting von Mark Rylance. Emotional hat mich der Film aber völlig kaltgelassen, ich hatte mit den Figuren kein Mitgefühl.

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Holy Spider (2022) 

Deutsch Eine iranische Geschichte, die auf wahren Begebenheiten basiert. So gedreht, wie es die Iraner nie gemacht hätten. Die Protagonistin ist eine mutige atheistische Journalistin, die der Polizeichef überheblich verachtet, wenn sie ihn höflich ablehnt. Die Fahndung nach dem Serienmörder von Prostituierten ist nur der erste Akt. Danach kommt eine Reflexion der iranischen Mentalität, welche durch die Kraft des Glaubens beherrscht wird. Viele Iraner betrachten nämlich das „Säubern der Straßen von Prostituierten“ als eine gottgefällige Tätigkeit. Der Mittelpunkt des Erzählens und die am komplexesten dargestellte Figur ist der Mörder, ein lieber Familienvater, der in guter Überzeugung handelt. Ein brillantes Drama mit mehreren Schichten, das weit über die thematischen Möglichkeiten von ähnlichen westlichen Genre-Filmen hinausgeht und das keine abstrakten Arthouse-Einlagen braucht, um auch die anspruchsvollsten Zuschauer*innen zu begeistern.

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Long Weekend (1978) 

Deutsch Ein australisches Beim Sterben ist jeder der Erste, in dem die Herausforderer nicht böse Dorfbewohner, sondern wilde Tiere in den Tropen sind. Zwei Protagonisten, die eine Ehekrise durchmachen, und eine Situation, in der sie sich nicht wohl fühlen. Die Tiere spielen auch eine Rolle, der größte Feind sind aber sie selbst und ihr labiler psychischer Zustand. Ein stimmungsvoller Thriller, der im Hinblick auf den Raum und die bescheidene Handlung überraschend wirkungsvoll ist. Das Geschrei der Tiere, das unbehagliche Camping, die beklemmende Magie der dunklen Nacht. Die Realität verwandelt sich im Laufe der Zeit in Trugbilder, Taten werden ohne gesunden Verstand begangen.

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Avatar: The Way of Water (2022) 

Deutsch Ein Drehbuch wie bei einer durchschnittlichen Fernsehserie, die für alles genug Zeit hat. Die Geschichte kann man in einem kurzen Satz zusammenfassen. Außerdem ist es dasselbe wie beim letzten Mal und es sieht so aus, dass es das nächste Mal nicht anders sein wird. Die unnatürlichen Bewegungen der blauen Echsen am Festland haben sich seit der „Pilotfolge“ nicht geändert. Die Hälfte des Films wirkt deshalb wie eine Videospieldemo. Die Verlagerung der Handlung in die Unterwasserwelt ist aber ein tolles Upgrade. Das Schwimmen der Echsen ist viel schöner als ihr Gehen und Springen. James Cameron hat der fiktiven Unterwasserfauna und -flora ein einzigartiges Leben eingehaucht. Es ist schön und magisch. Luc Besson wird begeistert sein. Auf dem Wasser erscheinen auch menschliche Figuren, was dem digitalen und künstlichen Charakter des Films einen physischen Drive verleiht. All die U-Boote, die mechanischen Krabben und die Schuft-Szenen mit dem Walfang sind supercool. Sie erinnern and das Zuschauervergnügen bei Waterworld, für welches die Jungenstreiche gesorgt haben. Das Avatar-Phänomen ist aber eher eine Lunapark-Attraktion (mit einem VR-Versprechen für die Zukunft) als ein Filmwerk im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Art Marvel-Film von Cameron mit schwach ausgearbeiteten Figuren, was ein bisschen schade ist.

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Lady Chatterleys Liebhaber (2022) 

Deutsch Ein romantischer Film, den man weder kritisieren noch loben kann. Eine sichere Beziehungskonstellation, in der man trotz des Naschens von verbotenen Früchten keine Figur für ihr Handeln verurteilen kann. Der Mangel an dramatischeren Momenten sowie die hundertprozentige Erfüllung der Genre-Schablone machen den Film zu einem trivialen Liebesroman. Die Animalität in den erotischen Szenen hat mir aber gefallen. Es ist interessant, wie der unbeschönigte Sex dank des offenen Internetzeitalters zu einem natürlichen Bestandteil der Mainstream-Filmunterhaltung wird.

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Athena (2022) 

Deutsch Die Art und Weise, wie das Publikum in das Getöse der Demonstration hineingezogen wird, ist bombastisch. Die erste lange Aufnahme kann man als technisches Kunstfahren bezeichnen. Der durch Zorn angetriebene Motor des Films wird bis zum Ende nicht langsamer und erinnert mehrmals an die Bemühungen der Filmemacher, ausgezeichnet gestaltete und sich dramatisch steigernde lange Aufnahmen zu drehen. An die Figuren kommt das Publikum aber nicht nah genug ran. Deshalb hat es nicht die Möglichkeit, die Hölle in ihrer Haut zu erleben. Sogar über die vernünftigste Figur erfährt man nichts Persönliches – nur das, wer ihr Bruder war. Mit einer so einfachen Handlungsprämisse ohne verknüpfende Emotionen und ein höheres künstlerischen Übergreifen wirkt Athena wie ein oberflächliches Konstrukt.

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Die Fabelmans (2022) 

Deutsch Es ist kein Zufall, dass so ein schöner Film über die Menschen und die Filmarbeit eine autobiografische Geschichte vom Autor der herzlichsten kinematografischen Werke ist. Der Kreis schließt sich, die einzigartige Zartheit des ikonischen Filmteams Spielberg + Kamiński + Williams verschmilzt mit dem Inhalt wie nie zuvor. Auf dieses Werk steuerte alles hin. ___ Die Fabelmans ist das am komplexesten erzählte Familiendrama, das ich je gesehen habe. Und obwohl es in dem Film zu keinem tragischen Ereignis kommt, ist es für mich persönlich auch das Familiendrama, das mich am meisten berührt hat. Ein tiefer Einblick in die Lebensereignisse der Kindheit und der Jugend in den kleinsten, aber gleichzeitig wichtigsten Details, erfasst in einer angemessen sensiblen, chirurgisch exakten Filmgeschichte. Ein Mosaik von Fragmenten, welche die Persönlichkeit eines Menschen prägen, der durch Schmerz sowie Freude mit der Filmkamera verwachsen ist. Sie hat ihm den Anfang der größten (Familien-)Enttäuschung im Jugendalter gezeigt und geholfen, sein Mobbing-Problem in der Schule elegant zu lösen. Dass er dann mit der Kamera in die Weltgeschichte der Kunst und Gesellschaft eingegangen ist, das ist schon eine andere Story. ___ Der Cinephile-Aspekt von Die Fabelmans ist ein Bonus zu dem Erzählen über Familienwerte, welches immer das A und O seines Werkes war. Erst hier hat er daraus den Schlüsselbestandteil der Geschichte gemacht – noch schöner, als man sich hätte wünschen können. Die Casting-Überraschung im Epilog und die letzte Filmaufnahme waren überwältigend. Ich hatte nämlich Angst, dass mich die gegenwärtige Kinematografie an solch einen Ort nie mehr zurückbringen wird. Steven forever ❤️

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Bad Times At The El Royale (2018) 

Deutsch Ein Tarantino-Film ohne Tarantino. In seinem vorherigen Film The Cabin in the Woods hat Drew Goddard einzigartig mit Genreklischees von Horrorfilmen jongliert. Hier versucht er, mit Gangsterfilm-Zutaten und vielfältigen Figuren in einer prekären Situation zu arbeiten. Er macht es aber ein bisschen ungeschickt. Problematisch sind schon die Figuren an sich. Die Definition der beiden negativen Charaktere (die Mädchen) ist schwach und ihre zufällige Kollision mit der Haupthandlung (Jeff Bridges, der etwas sucht) wirkt oberflächlich. Die Rolle mit der schlimmsten Besetzung ist die von Chris Hemsworth (seine Figur funktioniert außerdem nicht besonders gut), der das Finale im Gegenteil in die Höhe kicken sollte. Der Film hat auch nicht ausreichend das Potenzial des Themas „zu einem schlechten Zeitpunkt an einem schlechten Ort“ genutzt. Die Überschneidung der Zeitebenen hat keine schlaue Pointe. Das Tempo ist manchmal zu langsam und es verlässt sich auf die Dialoge, die nicht besonders ausgefeilt sind. Jeff Bridges spielt aber wie ein echter Kerl, zu Dakota passt die Bitch-Rolle besser als das Mädchen aus Fifty Shades of Grey und den größten Sinn macht letztendlich der junge Schauspieler Lewis Pullman in einer Nebenrolle.

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Les Animaux anonymes (2020) 

Deutsch Eine coole Idee für eine faszinierende metaphorische Bizarrheit. Das Ergebnis ist aber eher komisch. Die meisten Figuren ohne Masken sind wahrscheinlich Freunde des Regisseurs. Sie schaffen es nicht einmal, vor der Kamera ein natürliches Gesicht zu machen. Wenn die Szene in Gang kommt, wird sie durch einen heftigen Schnitt gekillt. Keine Spur von Spannung, Entsetzen oder Horrorelementen. Die Musik ist zwar manchmal eindringlich, es sind aber alles nur „intense“ Szenen, die man erstaunt beobachtet. Als Spielfilm mit einer interessanteren und unvorhersehbareren Handlung sowie einer besseren Pointe hätte man Anonymous Animals wenigstens als einen zwar funktionell verlegenen, aber visionär komplexen Ausrutscher betrachten können.

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Troll (2022) 

Deutsch Ein norwegischer Fantasy-Streifen für achtjährige Jungs. Viele Soldaten, Panzer und Hubschrauber, wenige Szenen mit dem Troll. Nach einer Hollywood-Schablone mit allen typischen Klischees. Die Vorhersehbarkeit und die Bemühungen, coole Momente zu schaffen, sind eigentlich fast peinlich. Der Troll sieht aber gut aus, die norwegische Natur ist schön und stimmungsvoll. Wenn die Handlung in der Natur spielt, ist es noch OK. Schlimm wird es erst in der zweiten Hälfte des Films. Die einen wollen ihn vernichten, die anderen wissen eigentlich nicht, was sie wollen, sie fühlen sich aber zu ihm irgendwie hingezogen. Eine wertlose Ableitung des King-Kong-Themas.