POMO

Ein weiterer Retro-Film von Scorsese mit einer perfekten Inszenierung und Antihelden, bei denen sich die Korruption und die Verlogenheit bis ins Knochenmark eingefressen hat. Und eine Tragödie der Opfer, die wie immer mit einem emotionalen Abstand aufgenommen wurde. Eine Ausnahme ist nur die Hauptheldin, die Indianerin, deren Beseitigung nicht nur eine kurze Szene mit einem Schuss in den Kopf ist. Man muss hier Martys energischen Erzählstil mögen. Für mich persönlich war er schon immer ein bisschen problematisch. Robert De Niro genießt einen weiteren manipulativen Paten, diesmal mit dem Gesicht eines lieben Onkels. DiCaprio variiert unterhaltsam seine schauspielerischen Trademarks in einem zwiegespaltenen Trottel mit einem negativ krummen Mund. In einer sehr kleinen Rolle glänzt Brendan Fraser. Lily Gladstone ist mit ihrem minimalistischen schauspielerischen Ausdruck und ihrem bezaubernden Blick zart, ergeben und voller Vertrauen. Die brutale Laufzeit unterstützt die absolute Handlungskomplexität des Werkes mit einer epischen Dimension. Sie erhöht aber auch die Anzahl der Figuren und der Ereignisse. Bei dem Resümee am Ende habe ich deshalb ein wenig den Überblick verloren. Die rhythmisch monotone, aber dank der ständig pulsierenden Musik lebendige Geschichte mit einer finsteren Steigerung, die von einem beklemmenden Unrecht erzählt, wird durch das Erscheinen der FBI-Agenten mit ihrem professionellen methodischen Verfahren auf eine befreiende Art und Weise erfrischt. Solche Taktiken des Gesetzes waren damals die kriminellen Gruppen der Verrückten nicht gewohnt. Eine nette Cameo-Überraschung in dem feierlich gestalteten Epilog. Mit feierlich meine ich auf dem Weg zu den Oscar-Nominierungen. [Cannes FF]

Testosteron meets Charakter. Guy Ritchie übertrifft Bergs reinen Genre-Actionfilm Lone Survivor, weil er nicht nur einen reinen Genre-Actionfilm gedreht hat. Er hat eine stärkere Geschichte. Oder besser gesagt: Es ist ihm gelungen, aus der Geschichte, die er hatte, ein dramatisch tieferes Werk mit einer gedanklichen Dimension zu machen. Das Schießen steht bei ihm an zweiter Stelle. Die Besetzung von dem fantastisch spielenden Jake Gyllenhaal ist treffend. Das Buddy-Motiv mit Dar Salim hat minimalistische Gesten, umso stärker ist aber sein Kern. Verpflichtungen und Prinzipien in einem kugelsicheren Männerkodex.

Es macht einfach Spaß zu beobachten, wie dieser Kerl funktioniert! Einen Nichtstuer und Entertainer – einen Sänger, eine Legende der Pulp-Bars und Hotelsalons für Rentner im Urlaub holen die Sünden der Vergangenheit ein. Ein ausgezeichnet dargestelltes Milieu eines menschenleeren Urlaubsortes am Strand in Italien außerhalb der Saison, der im Nebel und im Schnee versinkt. Wenn Sie sich gern über den kitschigen deutschen Folk-Pop lustig machen, was er verdient hat (die Fans von Karel Gott bitte ich um Verzeihung), und gleichzeitig gern das Schicksal von bizarren Individuen in einem unkonventionellen Milieu verfolgen, ist Ulrich Seidl die richtige Wahl.

Ein unterhaltsamer B-Movie aus dem unwirtlichen Lappland. Blutig, witzig, energisch, fast ein wenig karikaturistisch irreal und mit Stil. Das Thema ist eigentlich nichts Neues, manche Szenen sind aber unvorhersehbar und einfallsreich. Aksel Hennie als Obernazi hat mir gefallen.

Ein fesselnder Oldschool-Thriller, der die Zuschauer*innen zusammen mit dem Haupthelden hinter die Porno-Kulissen von drei großen Städten in Kalifornien (LA, SD, SF) nimmt. Die entspannte Countrymusik am Anfang und am Ende steht im Kontrast zu der sich steigernden Intensität des Entdeckens von düsteren Orten, an denen der verzweifelte Vater seine verschwundene Tochter sucht. Wirkungsvoll dargestellte Negativgestalten, eine schwüle Atmosphäre sowie ein Statement zur Konfrontation der jugendlichen Unschuld mit dem verdorbenen Gesicht der erwachsenen Gesellschaft. Heutzutage ist der Film nicht mehr so schockierend. Der Aufbau der dramatischen Geschichte mit zarteren menschlichen Nuancen (die helfende Prostituierte, der Dialog mit der Tochter) funktioniert aber immer noch ausgezeichnet. Season Hubley ist schön und gleichzeitig animalisch. Es ist bestimmt kein Zufall, dass Hardcore - Ein Vater sieht rot 8MM - Acht Millimeter ähnelt, der Film basiert auf den gleichen psychologischen Prinzipien. Es handelt sich eigentlich um ein Remake.

Ein Psycho-Spiel, das lange unklar und nicht besonders fesselnd ist. Schließlich ist der Film jedoch überraschend, er macht Sinn und er schafft es sogar mit einem Zwinkern in Richtung Publikum. Ein Vertreter des unabhängigen Horrorfilms, der an manchen Stellen eine unerfahrene Regie und eine schwache Ausdruckskraft hat. Das gute Thema mit einem höheren Ziel sorgt aber dafür, dass der Film zusammenhält. Das Böse, das Dämonische, die Schuld, die Buße und die Strafe. Die erstklassige britische Schauspielerin Imelda Staunton in einer Nebenrolle, die jedoch ikonisch ist.

Das ausgezeichnete Drehbuch verfolgt präzise die steigende Spannung und den Ernst des Geschehens aus allen Blickwinkeln der Beteiligten – die Demütigung der leidenden „Häftlinge“, den Missbrauch der Macht durch die Wärter, die Gewissensbisse der Beobachter, d. h. der Organisatoren des Experiments. Zur rechten Zeit erscheint ein weibliches, ein empathischeres Element, das die Situation menschlich und am präzisesten beschreibt. Der Regisseur und die Schauspieler*innen haben eine tolle Arbeit geleistet, Billy Crudup brilliert. Der Film ist besser als erwartet, er hat praktisch keine schwache Stelle.

Die Klassiker Tapert, Raimi und Campbell haben die Latte hoch gelegt und lassen nicht nach. Das betrifft die Intensität, das Blut sowie das hohe technische Niveau. Zum ersten Mal außerhalb des Waldhauses, aber in einem ähnlich unwirtlichen mehrstöckigen Haus ohne einen funktionierenden Lift und ohne eine Fluchttreppe. Die dämonischen Masken und das Verhalten der besessenen Opfer sind schon ein bewährtes fan-servis Trademark der Serie. Die Figuren verhalten sich nicht mehr so doof wie letztes Mal. Ihre Besetzung und die „Rock-Emo-Stilisierung“ sind unkonventionell und erinnern an das Ensemble von Hellraiser: Das Schloss zur Hölle. Die magisch schöne Alyssa Sutherland ist für die Rolle eines Dämons geboren worden. Wir wissen, dass diese Serie die durchtriebensten Dämonen ever hat. Diesmal gibt es in dem Film auch ein kleines Mädchen! Es ist angenehm, auf der großen Leinwand wieder einmal so einen Massaker-Genre-Leckerbissen zu sehen, der mit so viel Liebe gemacht wurde.

Klischees, mit denen unglaublich doof gearbeitet wird. Ohne funktionierende Grundzusammenhänge. Aus der Filmemacher-Sicht ohne Stil und Invention, ohne Stimmung. Das Potenzial der modernen Smart-Bude wurde auch gekillt. Die Figuren sind fürchterlich und ihre Beziehungen haben kein Konzept. House of Wax aus dem Jahr 2005 ist im Vergleich zu diesem Streifen ein solider Genre-Film.

Kurse, in denen man das Kochen, die Tafelkultur und die Kaffeezubereitung lernt, mit der sündhaften Frau Jeanne. Ein formaler Minimalismus mit kleinen Unterschieden in dem sich wiederholenden Inhalt. Das prozedurale Beobachten des Verlaufs von einigen Tagen bei einer Frau, die morgens ihren Sohn zur Arbeit begleitet und beim Abendbrot mit ihm ein paar Worte wechselt. In der Zwischenzeit beschäftigt sie sich mit verschiedenen Dingen: Sie kocht, geht einkaufen, empfängt einen Herrenbesuch, der für ihre Gesellschaft bezahlt, sie duscht sich, bereitet das Abendessen vor… Dieser Blick ins Privatleben ist so detailliert und schauspielerisch konzentriert, dass er für die Voyeure unter den Zuschauer*innen befriedigender als ein Dokumentarfilm mit dem gleichen Stoff ist. Eine akademische Reinheit, die man wegen der Zeit, die man intim mit einer Figur verbringt, nicht vergisst.