Mord im Orient-Express

Ich liebe Detektivfilme, von klein auf verschlang ich vor allem die mit Poirot, ich mag Kenneth Branagh sehr und liebe eine toll gezeichnete Atmosphäre, die sich auf hübsche Musik und visuelle Elemente stützen kann. Und nun konkret - ich mag keine Detektivgeschichten, bei denen ich schon vorher weiß, wie sie ausgehen. Mord im Orient-Express, Alibi und Zehn kleine Negerlein sind von ihrer Pointe her unvergesslich, deshalb weiß ich auch nach zwanzig Jahren noch, wie sie enden. Also blieb mir nichts weiter übrig, als mich auf die Verarbeitung und die schauspielerischen Leistungen des Extraliga-Ensembles zu konzentrieren. Das Ergebnis ist mehr als verlegen - Kenneth Branagh kann ein toller Jago, ein famoser Heydrich oder ein charismatischer Wallander sein, aber er wird nie ein echter schlurfender Poirot mit einem Eierkopf. Und ein Poirot in actionreicheren Szenen? Nie, leider zu amerikanisch. Der gesamte Film ist leider recht steril und langweilig, also bleiben nur die hübsche Atmosphäre, die Musik, das Visuelle und der Anblick beliebter Schauspieler und Schauspielerinnen. Für mich drei Sterne, aber sehr, sehr schwache. (08.10.2018)

"Mord im Orient-Express" ist eine der berühmtesten Poirot-Geschichten von Agatha Christie. Es wurde erstmals 1934 veröffentlicht und erscheint seit dem Folgejahr regelmäßig in tschechischer Sprache. Der Fall des Lindbergh-Babys ist ebenfalls berüchtigt, seine Tragweite lässt sich beispielsweise daran ablesen, dass er seinerzeit auch Marlene Dietrich in Angst und Schrecken versetzte, die zwei Leibwächter für ihre Tochter anstellte. Das durch den Skandal verursachte Trauma war in den 1930er Jahren fast greifbar... Es gibt eine Reihe von Verfilmungen, sei es in Film, Fernsehen, Radio, Theater, Comics oder Videospielen. Ist es also eine gute Wahl, um eine neue Serie zu beginnen? Ist es nicht eher problematisch, neue Poirot-Fälle gerade derart notorisch zu erzählen? Bisher scheint Kenneth Branagh eine glückliche Hand gehabt zu haben. Bald wird er wiederkommen und sicherlich einen weiteren berühmten Fall lösen - den "Tod auf dem Nil". Wie also sah das Rezept aus - Branagh scheute sich nicht, einen klassischen All-Star-Film für ein heutiges Publikum zu drehen, bei dem es wichtig ist, dass auch die kleinsten Rollen von angesehenen Schauspielern gespielt werden. Das Ganze ist hinreichend idealisiert, spielt bewusst mit Pietät und ist dennoch spannend und dort, wo gewünscht, auch witzig. Es handelt sich also um eine Leistung, an der man sich ohne zu zögern erfreuen kann. Und als Bonbon gibt es einen neuen Song, gesungen von Michelle Pfeiffer - "Never Forget". (22.05.2018)

Der Mörder lacht mich aus. Gut. Sein erster Fehler! Vom Anfang bis zum Ende habe ich gedacht, wie schön es wäre, wenn ich nicht wüsste, wie die Geschichte ausgehen wird. Wenn mir nämlich der Film Mord im Orient-Express auch die geheimnisvolle Detektiv-Stimmung angeboten hätte, wäre er noch besser gewesen. Das ist aber natürlich kein Fehler des Films, der fast in allen Hinsichten perfekt ist. Im Mittelpunkt befindet sich natürlich Poirot (in Branaghs ausgezeichnet moderater und sensibler Darbietung, mit einem Schnurrbart wie aus Hogwarts). Die anderen Figuren stehen aber nicht im Hintergrund. Die Ausstattung ist zwar durch und durch digital, aber schön. Und wenn die Emotionen an die Reihe kommen, ist es egal, ob man die Vorlage kennt oder nicht. Ein bisschen überflüssig kamen mir nur Poirots Erinnerungen an Katherine (aus "Der blaue Express"?) vor. Die Verbindung am Ende, die andeutet, dass sich die Fortsetzung "auf dem verdammten Nil“ abspielen wird, hat mir nicht besonders gefallen. (13.11.2017)

Although the original by Agatha Christie is a perfect detective story that will be relevant even in a hundred years, giving this movie a five-star load is unfortunately almost impossible. The story is amazing, the adaptation and the camera work are very imaginative, CGI is surprisingly okay, but Kenneth Branagh decided to approach the movie on such a massive scale that not only did he drag a bunch of fantastic actors on board, but he also turned the Balkans into the Italian Dolomites. On top of that, the resolution didn’t sit well with me. Even though I knew what would happen. The Last Supper style also culminated acting-wise and some characters turned into caricatures of themselves thanks to their theatrically expressive performance and I was a little sorry about that. Overall a good movie but it can thank the source material for that. (18.02.2018)

I love the old version with Albert Finney, but the new one by Kenneth Branagh certainly doesn't disgrace it. However, the director and the main actor in one person decided – quite logically and, I think, rightly – not to try to make any fundamental statement against it or the source material. So although the trailers try to suggest that we're going to see some brisker pacing and maybe even some action, it's still the right kind of Poirot dialogue. And just like the film's classics, it stands on its excellent cast, great performances, dialogue and of course how perfectly thought out the whole thing is. Branagh treats the book with reverence, but at the same time doesn't shy away from a more modern and clever use of cinematography and excellent music work. And the result is the most honest whodunit I could have imagined given the source material. It goes exactly as it should. (27.07.2018)