Babylon Berlin

Laut Kutscher gehört Tykwers Babylon Berlin zu den seltenen Werken, die sowohl Kritiker als auch den normalen Zuschauer ansprechen. Die Romane, die den Fällen des ursprünglich in Köln lebenden Krimiautors Gereon Rath folgen, inspirierten zu dieser großen Rückkehr in die Weimarer Republik, die jetzt wieder interessant geworden ist. Was toll ist, im Original kann der Zuschauer Deutsch und Russisch üben und wieder etwas ganz anderes erleben. Die Hauptfiguren sind anders, sie sind keine Klischees aus den üblichen Kriminalfilmen. Gereon Rath steht zwischen Köln und Berlin, zwischen der Gegenwart und dem Trauma des Krieges. Charlotte Ritter ist eine vollkommene Heldin, die im Begriff ist, aus demütigender Armut aufzusteigen... und beide sind umgeben von der ganzen Palette von Polizisten, Monarchisten, Trotzkisten, Kommunisten, Nutten und anderen Bewohnern dieser fast mythischen Stadt. Und jeder Einzelne erlebt für sich und in seiner Gruppe die Auswirkungen der Kriegsreparationen, aber auch die Freude über die moderne Zeit. Das gestiegene Interesse an dieser Serie ist wohlverdient. Der Fall "Nasser Fisch" wurde auch als Comic und Hörbuch adaptiert, und wenn all dies das Bewusstsein für diese historische Epoche schärft, kann das nur gut sein. In der Zwischenzeit wurden die Romane bis 1937 fortgesetzt ("Der stille Tod", "Goldstein", "Die Akte Vaterland", "Märzgefallene", "Lunapark", "Moabit", "Marlow", "Olympia" und "Transatlantik"). (12.01.2020)

Die erste Hälfte von Gereon Raths Fall Nasser Fisch ist wirklich faszinierend. Inmitten von Korruption, Pornografie, aber auch der spektakulären Welt des Jazzclubs Moka Efti... Die späten Jahre der Weimarer Republik waren nie so attraktiv für die Öffentlichkeit wie hier. Nichts ist schwarz oder weiß. Neben den Problemen der einfachen Leute spielen sich auch Dramen in der hohen Politik ab, die Armen amüsieren sich mit denen an der Spitze. Die historischen Gegebenheiten sind großartig. Menschen am Sonntag läuft im Kino, und in den Filmstudios findet das Casting für Der blaue Engel statt... Die ersten acht Episoden sind eine fesselnde Mischung aus zeitgenössischem Fresko und rohem Krimi. (12.01.2020)

Die zweite Hälfte des Falls Nasser Fisch ändert den Stil etwas. Das Fresko aus der damaligen Zeit ist mit Action durchsetzt, der Abschluss der Untersuchungen ist mit hyperkombinierten Ereignissen gespickt. Sowohl Gereon als auch Lotte entgehen (wiederholt) nur knapp dem Tod, und viele der Gruppen, die nach dem Gold von Sorokin suchen, stehen am Rande eines Bürgerkriegs. Ja, es war sehr spannend, aber nicht in dem Sinne, in dem die Serie begann. Wenn die Verfilmung des zweiten Buches, "Der stumme Tod", mit weniger Action aufwartet, werde ich sie mit offenen Armen empfangen. Babylon Berlin ist keine Hommage an Filme mit Harry Piel in der Hauptrolle. Andererseits wäre ich auch nicht böse, wenn wir mehr Musiknummern im Stil von Leo Monosson und seinem "Mir ist so nach dir" bekämen. (12.01.2020)

Die Serienadaption von Gereon Raths zweitem Fall "Der stumme Tod" ist der nächste Schritt für die faszinierende Serie Babylon Berlin aus der späten Weimarer Republik. Die scheinbar exquisite Kulisse der Babelsberger Filmstudios, das Aufkommen des Tonfilms, die sich zuspitzende politische Situation, der drohende Börsenkrach und viele andere Themen bieten ein außergewöhnliches Erlebnis. Leider muss man es bei einem so ehrgeizigen Projekt allen und allem recht machen, und das Endprodukt ist nicht konsistent genug. Als ich mir die Buchvorlage ansah, wurde mir klar, dass Volker Kutscher im Grunde einen einfachen, linearen Retro-Krimi mit einem naiven romantischen Einschlag geschrieben hatte. Zuschauer der Serie, die die Vorlage nicht kennen, wären sehr überrascht, wie unkompliziert die vorgeschriebene Romanze zwischen Gereon und Lotte ist... Daher müssen wir den Filmemachern, die eine Verantwortung gegenüber einem möglichst breiten Publikum haben, die ganze Verantwortung zuschreiben. Einige Folgen waren großartig, andere schwächer, das letzte Doppelfinale war sehr weit hergeholt. Wir sahen zwar die spektakuläre Premiere des spätexpressionistischen Films Dämonen der Leidenschaft, bei der auch Lilian Harvey anwesend war, aber den weitaus stärksten Eindruck hinterließ in mir die Legende von Hans Westmar, dem späteren Märtyrer der NSDAP, die in die fiktive Geschichte eingefügt wurde. (04.03.2020)