POMO

Vom koreanischen Botschafter bei den Oscars hätte ich mit diesem Thema und besonders jetzt, einige Jahre nach dem brillanten Parasite, eine anspruchsvolle gesellschaftliche Satire erwartet. Dieses Werk ist aber nur ein technisch hochwertiger postapokalyptischer Genrefilm mit gewöhnlichen Konflikten zwischen den Figuren und einem kitschigen Ende. Er versucht, das Publikum direkt zu rühren, er baut vorher keine Beziehungsemotionen auf. Als Blockbuster für die Massen wird der Film sicherlich funktionieren, Byung-hun Lee ist eine große Schauspielattraktion, aber eher für das asiatische Publikum. [Sitges FF]

Hochwertige Spinnen-Horrorgeschichten können wir in den hundert Jahren der Kinematographie an den Fingern einer Hand abzählen, wenn man ein Auge zudrückt, dann an den Fingern von zwei Händen. Und ich bin froh, dass diese französische Arachno-Fahrt jetzt dazugehört. Das Erlebnis hängt jedoch stark vom Ausmaß Ihrer Arachnophobie ab. Es geht nicht um liebenswerte Figuren oder eine schöne Natur. Die Handlung spielt sich in einem Sozialwohnungsblock in einer französischen Plattenbausiedlung ab und die Helden sind rebellische Geschäftemacher und Jugendliche, auf deren Überleben Sie erst im letzten Viertel des Films achten werden. Dieser Plattenbau ist jedoch ein rundes Design-Highlight mit einem Spinnennetz-Muster. Die Spinnen werden immer zahlreicher und sehen lebendig aus (in einem französischen Genrefilm von jungen Enthusiasten!). Einige intensive Szenen werden dem Publikum den Atem verschlagen und für Gänsehaut sorgen. Der vierte Stern ist für das Kinoerlebnis mit einer guten Akustik. [Sitges FF]

Eine gut dargestellte Psychologie der Unsicherheit, wenn ein Mädchen bei schlechtem Wetter in einen fremden Wohnwagen eintritt und nicht weiß, ob der Besitzer gefährlich ist oder nicht. Ein einstündiger Dialog, bei dem sich das Paar gegenseitig prüft und auf die Reaktion des anderen wartet. Dazu das Quietschen des Wohnwagens, ein lautes Donnern, der Wind und Regen. Der Kerl ist seltsam, undurchschaubar und vor allem ein Paranoiker. Dies führt nach bestimmten Ereignissen zu einem halluzinogenen Chaos mit einer für den Zuschauer verwirrenden Mischung aus tatsächlichen Karten auf dem Tisch. Schade. [Sitges FF]

Ein sympathischer Genrefilm über ein malaysisches Mädchen aus der Grundschule, das sich in einen Tiger verwandelt. Und manchmal leuchten seine Augen wie die eines Außerirdischen. Die erste halbe Stunde, in der das Mädchen mit seinen Mitschülerinnen normale Tage verbringt, mit dem Handy spielt und über nichts plaudert, testet die Geduld der Zuschauer*innen. Aber mit dem Mobbing in der Schule und den ersten Verwandlungen in ein Raubtier wird der Film unterhaltsam. Nicht wie ein Horrorfilm, sondern wie ein Fantasyfilm für Kinder mit sensibel dargestellten Zuständen der komplizierten Mädchenpubertät. Wir fühlen mit der Protagonistin mit und die nervenaufreibenden Verwandlungen mit niedlich naiven Masken können wir als Metapher für ihre Verteidigung gegen die „böse Umgebung“ betrachten. Der Film spielt im malaysischen Dschungel, was ihm zusammen mit der mythischen Aura des Tigers ein angenehm exotisches Gefühl verleiht. [Sitges FF]

Eine Hommage an französische Horrorfilme der 60er und 70er Jahre (z. B. Jean Rollin). Eine schöne Retro-Optik und ein angemessener Soundtrack mit träumerischem Gesang. Die Handlung des Films ist aber fade. Zwei Teenager-Mädchen fliehen von einer katholischen Mädchenschule zu einer Schlossparty für Erwachsene und haben dort zum ersten Mal Kontakt mit Jungs, von denen einer ein Vampir ist. Nichts weiter. Eine noble Langeweile mit einer pseudo-dramatischen Inszenierung und einem ungenutzten Potenzial. [Sitges FF]

Im Leporello der Festivalfilme, wo viele Autoren etwas ausprobieren oder etwas versuchen, ist dieser Film eine absolut fantastische Erfrischung. Von Anfang an selbstbewusst und mit Leichtigkeit inszeniert, von den Figuren großartig gespielt – wer gegen wen und wann. Ein Tarantino-Film aus einem Wüstencafé, zwar ohne seine scharfen Dialoge, aber genauso gut durchdacht, überraschend, schwarzhumorig mörderisch und großartig von „bekannten Nebendarstellern“ gespielt. Eine hervorragende Verbindung des Themas mit dem Text des Songs im Abspann. Nach Reptile ein weiteres außergewöhnliches amerikanisches Debüt in diesem Jahr! [Sitges FF]

Luxemburgische Filme sehen wir nicht oft und historische Filme aus dunklen Zeiten in Luxemburg schon gar nicht. Umso wertvoller ist dieser Deutsch gesprochene und harte Beitrag zum historischen Genre, der bereits im Schwarz-Weiß-Prolog mit einer kühlen Rohheit überrascht. Die Schmutzigkeit und Tyrannei spüren wir auch in der farbigen Fortsetzung der Geschichte einer entschlossenen (und schönen) Rächerin, aber nicht mehr so intensiv. Die Dialoge und die Darstellung der Figuren sind trotz des attraktiven Themas der Rache schwer, man könnte sogar fast schwerfällig sagen. Zu der Zuschauerkatharsis stolpert der Film wie eine der Nebenfiguren mit aufgeschnittenen Achillessehnen. Zu der grausamen historischen Zeit und dem düsteren Erzählton passt diese Schwerfälligkeit aber irgendwie. [Sitges FF]

Ein Sozialthriller mit einer hochwertigen Regie über eine tragische Kollision sozialer Schichten. Diese findet auf dem brasilianischen Land statt, wo lokale Arbeiter von einem Gut gegen seine Besitzer, ein Ehepaar aus der Stadt, rebellieren. Kein Vertrauen in die Polizei und das Gesetz, nur ein blinder Glaube an Rettung vor der Lynchjustiz durch „Wilde“. Eine gut dargestellte Massenpsychologie von Individuen mit begrenztem Denkvermögen und ohne Bewusstsein der Realität der Welt mit rechtlichen Grundlagen. Leicht auf mögliche Situationen in fortschrittlicheren Ländern als Brasilien anwendbar, einschließlich einiger europäischer Länder. Unheimlich! [Sitges FF]

Ist das die Art und Weise, wie Pakistaner das Horrorgenre wahrnehmen? Die trauernden Figuren leise über ihre Gefühle sprechen zu lassen und gelegentlich nur eine Andeutung von etwas Geisterhaftem zu machen, das niemandem etwas sagt und in keiner Weise unheimlich ist? Eine zarte Langeweile, die denkbar schlechteste Wahl für einen Festivalfilm am Vormittag, wenn man nicht ins Kino geht, um zu schlafen. [Sitges FF]

Eine chilenische Insel, einheimische Indianer, die die Hexerei beherrschen und ein überheblicher deutscher Kolonisator… Sorcery hat eine Atmosphäre, hochwertige Schauspieler*innen, eine attraktive historische Periode sowie ein Milieu mit einer beeindruckenden Ausstattung. Das Drehbuch kommt aber einfach nicht in Schwung, es wird nicht spannend. Mit der stärksten Szene legt die Geschichte los, dann folgt das Warten auf eine Katharsis, die nicht wirklich kommt. Dabei bietet das Thema viele interessante und vom Publikum ersehnte Lösungen. [Sitges FF]