Wundersame Wanderungen

(Serie)
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Folge 1: Distanzflieger Distelfalter Der Distelfalter, lateinisch Vanessa cardui, ist in ganz Europa verbreitet. Die gerade mal 0,25 Gramm leichten Insekten können mehrere Tausend Kilometer zurücklegen. Ihr stecknadelkopfgroßes Gehirn fungiert als Navigationszentrale. Doch welche Meisterleistungen die Tiere dabei genau vollbringen, ist erst seit kurzem erforscht. Die Schmetterlinge überwintern in Nordafrika. Mit Einkehr des Frühlings und steigenden Temperaturen machen sie sich auf den Weg, um vor den für die Raupen gefährlichen Sandwespen zu fliehen. Bei ihrem Flug, der sie bis zum Polarkreis führen kann, orientieren sie sich an der Sonne. Als Flughilfe dient ihnen der Wind, den sie in verschiedenen Höhenlagen austesten, um sich von günstigen Strömungen nordwärts tragen zu lassen.
Die fast viermonatige Wanderung übersteigt die Lebenserwartung eines einzelnen Schmetterlings und findet daher über mehrere Generationen hinweg statt: Die aufbrechenden Falter vermehren sich und bleiben unterwegs zurück, während ihre Nachfahren, angezogen von den zunehmend langen Sommertagen, den Weg nach Norden fortsetzen. Über den Rückflug war lange Zeit wenig bekannt. Da im Herbst keine südwärts fliegenden Falter gesichtet wurden, lag sogar die Vermutung nahe, dass die Tiere in Nordeuropa von der einbrechenden Kälte überrascht wurden und starben. Insektenradare aber belehrten die Forscher eines Besseren: Die Distelfalter kehren im Herbst in die Sahelzone zurück. In 400 bis 500 Meter Höhe wurden, für den Betrachter auf der Erde unsichtbar, millionenstarke Schwärme ausgemacht. Die Sendung erforscht die ungeahnten Talente des kleinen Falters, der zu den absoluten Langstreckenmeistern unter den Insekten gehört.

Folge 2: Der Eleonorenfalke Die Brutkolonien der Eleonorenfalken ziehen sich entlang des gesamten Mittelmeers von Griechenland bis zu den Balearen, teilweise sogar bis zur marokkanischen Insel Mogador. Im Winter hingegen treffen sich die Falken nach einer Tausende Kilometer langen Wanderung fast alle an ein und demselben Ort: Madagaskar. Dank kleiner Sender, die Forscher auf dem Rücken der Zugvögel befestigen, wissen sie heute sehr viel mehr über ihre Routen und ihre erstaunliche Anpassungsfähigkeit. Eleonorenfalken ernähren sich die meiste Zeit im Jahr von Insekten. Ihre Eier legen die Raubvögel im Sommer ab. Die Küken schlüpfen im August, wenn die Insektenbestände in den Brutkolonien anfangen zu sinken. Diese zeitliche Diskrepanz mag auf den ersten Blick erstaunen, ist in Wirklichkeit aber ein großer Vorteil.
Denn Mitte August beginnen die ersten Sperlingsvögel aus Europa ihre Wanderung nach Afrika. Weder das Mittelmeer noch die Sahara können die Falken auf ihrer Wanderung aufhalten. Sie durchqueren die Wüste in einem Stück, auch wenn sie dabei an den Rand ihrer Kräfte gelangen. Der Zeitpunkt ihrer Ankunft in der Sahelzone zeugt von einer sehr genauen Anpassung an den Rhythmus der Natur. Er trifft mit dem Ende der Regenzeit und der explosionsartigen Ausbreitung von Insekten zusammen. Für die Falken sind sie eine wichtige Nahrungsquelle. Die erst drei Monate zuvor geschlüpften Jungtiere begeben sich ebenfalls auf die lange Reise. Genau wie die Brutvögel fliegen sie allein. Ohne die Landschaften zu kennen, über die sie hinwegziehen, finden auch sie ihren Weg durch die Sahara, schaffen es von West- nach Ostafrika und nehmen langsam Kurs auf Madagaskar.

Folge 3: Die Mönchsgrasmücke Die Nachtigallen, Spatzen, Rotkehlchen und Meisen, die die europäischen Gärten und Parks bewohnen, gehören alle zur Familie der Sperlingsvögel. Im Herbst fliegen viele von ihnen zum Überwintern in die südlichen Breiten. Vor allem die unauffällige Mönchsgrasmücke zieht die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich. Der knapp 20 Gramm schwere Vogel ist weit verbreitet und kommt vorwiegend in Wäldern, aber auch in Grünanlagen und Stadtparks vor. In den letzten hundert Jahren wurde ein großer Bestand beringt beziehungsweise mit kleinen elektronischen Sensoren versehen, so dass das Zugverhalten des Vogels inzwischen weitreichend bekannt ist. Doch immer wieder machen Wissenschaftler neue verblüffende Entdeckungen. So zeigt sich die Mönchsgrasmücke als wahrer Wanderprofi. Zu den Reisevorbereitungen gehört die Mauser, bei der ein neues Federkleid entsteht. Zudem verlegt die Mönchsgrasmücke ihren Schlafrhythmus von der Nacht auf den Tag, um nachts von Fressfeinden weitgehend ungestört zu fliegen. Dabei orientiert sie sich an den Sternen und an Magnetfeldschwankungen.
Vor jeder neuen Etappe nimmt sie jede Menge Futter – Beeren, Früchte und andere Nahrungsmittel – auf, wodurch sich ihr Körpergewicht verdreifacht. Mit diesen Reserven kann sie mehrere Hundert Kilometer ohne Rast und neuerliche Nahrungsaufnahme durchstehen. Die traditionellen europäischen Zugrouten der Mönchsgrasmücken sind erforscht. So wandert ein Teil von ihnen südwestlich zunächst nach Spanien, dann über die Straße von Gibraltar bis Westafrika. Eine zweite Route führt südöstlich in Richtung Balkan, über den Bosporus bis zum Nahen Osten. Doch immer mehr „abtrünnige“ Vögel verlassen diese angestammten Routen und fliegen stattdessen gen Norden – laut Forschung ein völlig neues und untypisches Verhalten für einen Vogel der Nordhalbkugel.

Folge 4: Die Rauhautfledermaus Fledermäuse verfügen über ganz außergewöhnliche Fähigkeiten. Sie orientieren sich nicht nur problemlos in völliger Dunkelheit, sie sind auch die einzigen Säugetiere, die fliegen können. Die gerade mal acht Gramm schwere Rauhautfledermaus geht jedes Jahr auf eine besonders lange Wanderschaft: Von ihrem Sommerlebensraum im Norden Europas, häufig im Baltikum, fliegt sie zu ihrem Winterschlafplatz nach West- und Südeuropa. Dabei legt sie binnen weniger Wochen bis zu 2.000 Kilometer zurück, ein Rekord unter den europäischen Landsäugetieren. Nicht minder erstaunlich verläuft die Reise selbst, die neben der Flucht vor der nördlichen Kälte auch der Fortpflanzung dient: Sie ist einer der seltenen Momente, an denen Männchen und Weibchen zusammentreffen, so dass sich die Tiere auf ihrem Weg gen Süden ununterbrochen paaren.
Am Ziel der Reise beginnen die Weibchen ihren Winterschlaf. Währenddessen ruhen die männlichen Spermien in der Gebärmutter. Erst im darauffolgenden Frühjahr, wenn die Klimabedingungen erneut günstig sind, kommt es zur Befruchtung. Nach zehnwöchiger Tragezeit kommen die Jungen im Sommerquartier zur Welt. Zu den Gefahren, die unterwegs lauern, gehören nicht zuletzt Windräder. Europäische Wissenschaftler erforschen gemeinsam das Wanderverhalten der Tiere, um sie wirksam zu schützen. Wie meistert die Rauhautfledermaus diesen alljährlichen Kraftakt? Die Folge reist quer durch Europa, um dieses und andere Geheimnisse des kleinen Flugkünstlers zu lüften. (arte)

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