Europas Hafenstädte

(Fernsehfilm)
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Deutschland, 2016, 75 min

Besetzung:

Dieter Moor

Inhalte(1)

Der Film stellt fünf sehr unterschiedliche Weltkulturerbestätten vor, die eines gemeinsam haben: Es sind europäische Häfen - Handelsplätze, Sehnsuchtsorte und Tore in die Welt. Gezeigt wird das britische Liverpool, das belgische Brügge, die van Nelle Fabrik in Rotterdam, Speicherstadt und Chilehaus in Hamburg, sowie die sizilianische Hauptstadt Palermo. Liverpool war im 18. Jahrhundert eine der bedeutendsten Städte des britischen Imperiums. 40 Prozent des Welthandels wurden damals über Liverpool abgewickelt. Ihren Wohlstand verdankte die Stadt auch dem Sklavenhandel. Zeugen dieser nicht immer ruhmreichen Vergangenheit sind die so genannten "Drei Grazien". Am Ufer des Mersey thronen prachtvoll das Royal Liver Gebäude, das Haus der Cunard - Reederei und das der Hafenbehörde. Sie sind Wahrzeichen von Liverpool. Eine Naturkatastrophe hat den Aufstieg Brügges zu einem der bedeutendsten Handelsplätze Europas im Mittelalter zumindest begünstigt. Eine Sturmflut pflügte 1134 eine Rinne in die Meeresbucht Zwin und schuf einen direkten Zugang zur Nordsee. Brügge entwickelte sich zu einem der meistangelaufenen Häfen im Norden Europas, war bald Drehscheibe im internationalen Handel. Brügge erlebte sein Goldenes Zeitalter. Das Ende des 15. Jahrhunderts brachte den Niedergang. Der Zwin - Brügges Verbindung zur Nordsee - versandete.

In der Folge lähmte jahrhundertelanger Stillstand die Stadt. Und auch die Industrielle Revolution ging an Brügge vorbei. Im Rückblick ein großes Glück - nichts wurde abgerissen, um Platz für Fabriken zu schaffen. Da auch die beiden Weltkriege Brügge verschonten, blieb die Altstadt nahezu erhalten. Die Van Nelle Fabrik, erbaut 1926-1931, verkörpert wie das deutsche Bauhaus die architektonische Avantgarde der Klassischen Moderne. Funktionalität und Ästhetik gehen eine Symbiose ein, die bis heute Architekten inspiriert. Der Industriebau wurde nach dem amerikanischen Vorbild der Daylight Factory konzipiert. Um die Fabrikräume optimal zum Licht hin zu öffnen, fanden neue Techniken Anwendung. Dabei wurden Vorhangfassaden mit durchgehenden Fensterbändern vor eine tragende Konstruktion mit pilzförmigen Stahlbetonsäulen montiert. Rotterdam, der größte Seehafen Europas, wurde im Zweiten Weltkrieg fast völlig durch deutsche Bomben zerstört. In Schiedam, einem westlichen Vorort, steht die Van Nelle Fabrik. Bis 1995 werden hier Tabak, Kaffee und Tee verarbeitet. Mit der Verwirklichung des Industriebaus profiliert sich Chefarchitekt Leendert van der Vlugt als vielversprechender Protagonist des Neuen Bauens. Doch die Van Nelle Fabrik ist eigentlich das Projekt des jungen Kees van der Leeuw, der von der Eigentümerfamilie bestimmt wird, die Verwirklichung in die Hand zu nehmen.

Den Jungunternehmer interessieren amerikanische Produktionsmethoden. Er begeistert sich für moderne Architektur und abstrakte Malerei, ist Mitglied der Theosophischen Gesellschaft und Anhänger des spirituellen Lehrers Jiddu Krishnamurti. Mit der Van Nelle Fabrik verfolgt Kees van der Leeuw nichts weniger als ein Gesamtkunstwerk, das die Rationalität industrieller Produktion, die Kunst des Neues Bauens sowie die Suche nach einem ganzheitlichen Menschenbild in sich vereinen soll. Der Bau selbst ist eine Pionierleistung der Ingenieurskunst. Noch bis Ende 2002 trennt eine der letzten europäischen Grenzen "Zollausland" des Hamburger Freihafens von der Altstadt. 1888 als größtes Lagerhausensemble der Welt erbaut, trägt die Speicherstadt mit benachbartem "Chile Haus" seit Juni 2015 das Etikett UNESCO-Weltkulturerbe. Den Freihafenstatus ringt die Hansestadt 1881 Reichskanzler Bismarck ab: vereinfachter Handel als Gegenleistung für den Beitritt zum Deutschen Zollverein. In nur sechs Jahren stampfen die Hamburger das größte Lagerhausensemble der Welt aus dem Boden. Dafür muss ein ganzer Stadtteil weichen, knapp 20 000 Menschen werden in die bereits übervölkerte Altstadt vertrieben. Ein Opfer "zum Wohle des Handels". (SWR Fernsehen)

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