Sherlock

Staffel 1: Ich muss sagen, dass ich seit langem nicht mehr die Ehre hatte, ein so gut und konstant durchgeführte Aktualisierung zu sehen. Formal wird diese BBC-Serie nach allen Regeln der Moderne gedreht, jedoch sie enthält Momente, welche gar ungewöhnlich altmodisch wirken welche die Welt des zeitgenössischen London mit all seinen Eigenschaften in die Zeiten der dunklen und verwinkelter Straßen zurückversetzten, in denen sich die gesellschaftliche Unterschicht herumtreibt. Im Grund Genommen bleibt Sherlock die traditionellste Krimigeschichte, für welche Action und Dynamik ein Mittel der Ironie sind (eine stroboskopisch chaotische Schlägerei im Das große Spiel Planetarium, eine bodenständige Szene im chinesischen Zirkus in Der blinde Banker usw.). Deduktion und Sarkasmus sind die Hauptwaffen des Charakters, welcher von Benedict Cumberbatch mit brillantem Einfühlungsvermögen wieder ins Leben gerufen wurde. Und die Hauptwaffe der Serie ist das atemberaubende Duett Watson-Holmes, welches das berühmtere Aufgebot von Ritchies Spektakel um zwei Klassen übertrifft. Dennoch bleiben sowohl die Charaktere, als auch die Fälle der Idee von Doyles Werk äußerst getreu, ohne sie in der cleveren, popkulturellen Verarbeitung einzuschränken. Es ist eine grenzenlose Freude, zu sehen, wie sich Holmes moderne Serienmantras unterwirft, sie neu interpretiert und beim Menschen den bis gar unkeuschen Drang erweckt, zu sehen, wie wohl der "Der Hund von Baskerville" in der Version dieser Filmemachergruppe aussehen würde. Sherlock kommt schlichtweg wieder mit dem dunklen und bezaubernden Mysterium daher, welches stets zu den traditionellen Detektivgeschichten gehört hat, und es gelingt ihm auch, ohne in der Zeit zurückkehren zu müssen. Und gerade das ist meiner Meinung nach zweifellos ein genialer Schachzug. (17.08.2010)

Ich weiß nicht, ob ich in der Lage dazu wäre, rückblickend den Moment exakt zu bestimmen, in welchem aus der raffinierten und cleveren Show eine bombastische Darbietung krampfhaft wirkender Masken und egozentrischer Wendungen wurde, in welcher die Detektivstory lediglich als Alibi zur Entfaltung einer zunehmend brüchigen Geschichte des zentralen Dreiecks dient ... Jedenfalls kann ich vollends klar beurteilen (auch ohne Mithilfe eines Therapeuten, welchen übrigens eher die Macher als die Charaktere benötigten), dass sich die Symptome verschlechtern, so dass Sherlock zu einem inkonsistenten und brüchigem Mischmasch wird. Dieses Mischmasch wird lediglich durch möchtegern exzentrischen Kulissen sowie die Bereitschaft der Fans aufrechterhalten, mit Charakteren weiterzuschreiten, deren einziger Sinn und Zweck darin besteht, die hungrigen/unkritischen Fans auf Trab zu halten. Selbst auf Kosten von Wendungen und der Welt, in welcher sie eingebettet sind, verlieren sie sämtliche Rechtfertigung. Unsinn. Demgegenüber ist das legendäre Theaterstück des fiktiven tschechischen Autors Cimrman mit dem Namen "Vítr z hor" (Bergwind) geradezu ein Meisterwerk an Handlungsmotivationen. (09.01.2017)

Dies ist schon gar nicht mehr exzentrisch, narzisstisch oder überkandidelt. Das hier ist.. Einfach nur noch ein saudummes Schreifest. Bitte keine Familientherapiesessions mehr, keine vergessene Familienmitglieder oder Hündchen, die früher einmal Menschen waren. Ich hoffe, dass Gatiss und Moffat ihre inzestuöse Party genossen haben und die kreativen Zügel demjenigen in die Hände weiterreichen werden, der mehr als zwei identische Elemente zusammenfügen und mehr als die Wendung "Ich bin jemand anders“ durchführen kann. (16.01.2017)