Mich vermisst keiner!

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Kurzfilme / Biografie / Dokumentation
Deutschland, 2016, 29 min

Regie:

Erik Lemke

Kamera:

Erik Lemke
(weitere Professionen)

Inhalte(1)

Seit Evelin die Beine amputiert wurden, lassen sich ihre Freunde nicht mehr blicken. Jahrelang sitzt sie nun schon in ihrer Wohnung fest und bewegt sich nur noch zwischen Küche, Computer, Fernseher und Bett. Alte Videoaufnahmen zeigen ihr Leben als Mann vor 25 Jahren: die DDR hat aufgehört zu existieren, doch nicht alle schaffen es, Fuß zu fassen im neuen System. "Ohne den konkreten Plan, einen Porträtfilm über meine Großtante zu machen, lief die Kamera während unserer Treffen einfach mit. Viel zu spät durfte ich Evi kennenlernen. Ich hatte das Gefühl, viel nachholen zu müssen. Es gibt Menschen, die im Alltag eher unscheinbar daherkommen, auf der Leinwand aber eine erstaunliche Wirkung entfalten. Evi gehört dazu. "In Rhetorik war ich früher immer gut", sagt sie im Film. Sie ist es auch heute noch!
Wer sich von den von Evi angesprochenen Themen Einsamkeit, körperliche Behinderung, Suchtproblematik und leidvoll erlebte Geschlechtsinkongruen nicht überwältigen lässt, wird sie als humorvollen, abgeklärten Menschen erleben. Trotzdem jedes dieser Themen den Schwerpunkt von "Mich vermisst keiner!" bilden könnte, war der Schlüsselmoment, in dem ich begriff, welcher Film gerade entsteht, für mich ein anderer: vor laufender Kamera outet sich Evi ebenfalls als Chronistin des eigenen Lebens und zaubert eine 25 Jahre alte VHS-Kassette hervor! Während andere Amateurfilmer nach der Öffnung der Mauer London, Rom oder Disneyland filmten, dokumentierte Evi ihre letzte Arbeitsstelle im sich auflösenden Robotron-Betrieb und die feucht-fröhlichen Nachmittage im Hinterhof mit den Nachbarn. Weder meine Aufnahmen von Evi heute, noch ihre Aufnahmen von damals, wären für sich genommen gesellschaftlich relevant. Zusammen ergeben sie aber eine aufschlussreiche Langzeitbeobachtung mit Evi als Vertreterin eines Teils der Bevölkerung, der den Systemwechsel nach dem Ende der DDR als harten Bruch erleben musste. (MDR Fernsehen)

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