Der Vater eines Mörders

(Fernsehfilm)
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Bundesrepublik Deutschland, 1985, 87 min

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Franz Kien hofft, dass ihn der Direktor nicht aufrufen wird. Unvermutet war der Rex zu Beginn der Griechischstunde in ihrer Klasse erschienen, um Lehrer und Schüler einer hochnotpeinlichen Leistungsprüfung zu unterziehen. Mit dem jungen Freiherrn von Greiff hatte er sogleich einen Zusammenstoß. Die Folge: sofortiger Verweis von der höheren Lehranstalt. Dr. Kandbinder selbst, der Klassenlehrer, musste sich vor aller Ohren verbessern lassen. Draußen ist strahlender Mai. Die Kastanie vorm Fenster blüht. Unter der Schulbank liegt aufgeschlagen Karl Mays "Durchs wilde Kurdistan". Für alles ist der Schüler Franz Kien heute ansprechbar, nur nicht für Probleme des Griechischen, etwa die Frage nach der exakten Aussprache der drei Doppelkonsonanten. Da er sich selbst für einen schlechten Schüler hält, glaubt er sicher zu sein, bei einer Leistungsschau mit Recht übergangen zu werden. Irrtum! Schwer fällt die Hand des Rex jetzt auf Kiens Schulter, und unüberhörbar die Stimme von oben, die da zunächst noch ganz arglos fragt: "Nun, Kien, wie sieht es denn mit deinen Leistungen im Griechischen aus?" Was nun folgt, die Demontage eines Schülers unter dem Vorwand, unbestechlicher Diener aus Humanismus zu sein, kommt einer öffentlichen Hinrichtung gleich. Diese Schulstunde ist kein Alptraum. Sie fand so 1928 im Wittelsbacher Gymnasium zu München statt. Hinter Franz Kien verbirgt sich der Schriftsteller Alfred Andersch. Der Rex heißt Himmler. Er ist "der Vater eines Mörders". Der Titel dieser Schulgeschichte, die sich im Übrigen auf eine einzige Unterrichtsstunde konzentriert, weist hier allerdings in die Zukunft. Noch ist Heinrich Himmler, der Sohn des Oberstudiendirektors Himmler, nicht sogenannter Reichsführer SS, aber er lebt bereits im Umfeld Adolf Hitlers. In der Abfolge der Werke Alfred Anderschs steht diese Erzählung an letzter Stelle. Es wirkt so, als hätte der Schriftsteller ein Leben lang gezögert, diese unvergessliche Geschichte aufs Papier zu bannen. Mit ihr umfasst Andersch Anfang und Ende, wenn er aus der Perspektive des Alters mit seinem Alter ego Franz Kien in Dialog tritt. Es entsteht ein magischer Raum, Zeit scheint aufgehoben, Ursache und Wirkung stehen gleichberechtigt nebeneinander. Das Resultat - eine Form von Endgültigkeit. (ZDF)

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