Meisterarchitekten

(Fernsehfilm)
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Deutschland, 2016, 75 min

Besetzung:

Dieter Moor

Inhalte(1)

Von nichts sind wir so unentrinnbar umgeben wie von Architektur. Straßen, Plätze, Gebäude, Wohnungen - alles Architektur. Ihre Qualität und Wirkung ist daher von großer Bedeutung. In diesem Film werden Architekten und ihre Werke rund um den Erdball vorgestellt, die so bedeutend sind, dass sie von der UNESCO mit dem Titel "Welterbe" geehrt wurden. Es ist eine Kulturreise durch die vielen verschiedenen Stile und Epochen. In dieser Sendung wird Max Moor begleitet von Joe Bauer, dem "Stadtflaneur" Stuttgarts. In seinen Kolumnen für die "Stuttgarter Nachrichten" portraitiert eräschonungslos zärtlich, oft aber auch wütend die Stadt, die er kennt wie kein anderer. Ihm ist es zu verdanken, dass Stuttgart die Kriegsfotografin Gerda Taro wiederentdeckte. Die gebürtige Stuttgarterin emigrierte nach Frankreich und wurde als Fotoreporterin im spanischen Bürgerkrieg bekannt, in dem sie jung starb. In ihrer Heimatstadt lange verkannt, ist heute ein Platz nach ihr benannt. "Das wird hier nichts" soll Winston Churchill, damals englischer Mandatsverwalter der Region, im Qualm seiner Zigarre gegrummelt haben, als sich Architekten daran machten, an der Mittelmeerküste, nördlich der palästinensischen Hafenstadt Jaffa, eine Stadt zu planen - Tel Aviv. Das junge Land, das sich wenige Jahre später Israel taufen wird, braucht Platz für Tausende von Immigranten, die sich aus ganz Europa hierher flüchten, auf der Suche nach einer sicheren Heimat. Klare Linien herrschen vor.

Keine Schnörkel des Jugendstils mehr, kein Historismus, keine Dekoration ohne Zweck. Nichts zum Repräsentieren, nichts zum Vortäuschen, alles hat seinen Sinn und Zweck, der Funktion angepasst. "Form follows function". Das ist die Leitidee der Moderne, die im Bauhaus von Weimar und Dessau geboren wurde und in Tel Aviv so konsequent gebaut wird, wie nirgendwo sonst. Der Weg durch Barcelona ist auch ein Weg zu Antonio Gaudi. Er hat diese Stadt geprägt als Landschaftsarchitekt, Dekorateur, Städteplaner und Künstler. Gaudi ist zu einem Sinnbild der spanischen Architektur geworden, denn sein Stil zeigt ein Stück Landesgeschichte: Die Verschmelzung zwischen arabischen und christlichen Kultureinflüssen. Die meisten seiner Bauten stehen in Barcelona und es bedarf nur eines gemütlichen Spaziergangs, um sie alle an einem Nachmittag kennenzulernen. Der Weg führt durch den Parc Güell. Vorbei an einigen Wohnhäusern des Baumeisters zum Palacio Güell und zur Casa Battlo. Schließlich zur Casa Mila, dem wohl berühmtesten Wohnhaus, das Gaudi geschaffen hat. Ein besonders Wohnhaus steht im Westen Virginias, in den USA. Monticello war der Landsitz Thomas Jeffersons. Er war nicht nur engagierter Politiker und dritter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, er war auch einer der letzten großen Universalgelehrten.

Wissenschaft, Kunst und Politik betrachtete er als Ganzheit, die einem Volk zu nützen habe. Die Unabhängigkeitserklärung, in der er allen Menschen das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung bescheinigte, sah Jefferson als ersten Schritt in eine umfassende, geistig-kulturelle Unabhängigkeit vom britischen Mutterland. Deren sichtbares Zeichen sollte für den Architekten Jefferson eine neue, am Neoklassizismus orientierte Architektur sein, die sich stolz von dem, wie er sagte, "missgestalteten Haufen kolonialer Architektur" abhob. Mit seinem Landsitz Monticello, im Westen Virginias gelegen, kreierte der präsidiale Architekt sozusagen den Prototyp dafür. Das Haus, an dem er sein halbes Leben baute, wurde zum Sinnbild seiner politischen und ästhetischen Ideale und somit zu einer konkreten Utopie des überzeugten Aufklärers. Mit dem Bau der Universität von Virginia vollendet der Autodidakt am Ende seines Lebens gewissermaßen die Unabhängigkeitserklärung, die, als Grundrecht eines jeden, das Streben nach Glück festschreibt. Ohne Bildung ist für ihn dieses Streben erfolglos, denn nur sie ermöglicht eine sinnvolle Partizipation am Staat. Die Casa Luis Barragán, gebaut 1948, in einem Vorort von Mexico City repräsentiert die Synthese eines ganzen Architektenlebens. Weltoffen und introvertiert zugleich war Luis Barragán, Asket und Dandy, Geschäftsmann und Künstler. Als langjähriger Vertreter einer spanischen Retroarchitektur änderte er seinen Stil nach einer Europareise radikal. In wenigen Jahren gelang es ihm, die traditionellen Stilelemente seiner Heimat mit der Formensprache der europäischen Moderne zu verbinden. Die "Casa Barragán" gilt heute mit ihrer genialen Raumaufteilung, der poesievollen Farbgestaltung, dem wilden Garten und einer surrealistisch anmutenden Terrasse als eine der bedeutendsten Bauten der Architekturgeschichte.

Barragáns Arbeit steht ohne Zweifel für Ernsthaftigkeit und Tiefe - Raffinesse und Perfektion - und es ist ihm dazu noch gelungen, die oft nüchterne Funktionalität der europäischen Moderne um eine farbenfrohe und phantasievollere Variante zu bereichern. Mitten im hässlich brodelnden Betondschungel von Caracas liegt die Zentrale Universität von Venezuela wie eine Insel der Ruhe und der Schönheit. 87 Bauten, eine Stadt in der Stadt. Damit schuf In den 1940er- bis 1960er-Jahren des vorigen Jahrhunderts der Venezolaner Carlos Raul Villanueva ein stadtplanerisches und architektonisches Meisterwerk, angereichert mit über hundert Werken großer europäischer, amerikanischer und einheimischer Künstler jener Zeit. Mit seinem virtuos geformten Beton hat Villanueva einen eigenen und noch immer aktuellen Baustil geprägt. Ein Versuch, mit den Mitteln der Architektur und der Ästhetik das Leben der Menschen zu gestalten - vor allem die Form ihres Zusammenlebens. Daher die - vom tropischen Klima begünstigte - Durchlässigkeit der Bauten zwischen Innen und Außen, die gewollte Aufhebung der Grenzen zwischen den Fakultäten sowie zwischen der Universität und dem Volk. Doch leider, stellt Villanueva am Ende bedauernd fest, hat er mit seinem Konzept die politische und soziale Entwicklung Venezuelas nicht aufhalten können, in der die Kluft immer größer wird zwischen dem Volk und der Elite. (SWR Fernsehen)

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