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Wie in jeder Woche haben sich auch an diesem Freitag um die hundert Männer, Frauen und Kinder in der Kirche von Hochelaga-Maisonneuve, einem Armenviertel von Montreal, eingefunden. Aber nicht etwa aus religiösen Gründen – vielmehr werden im Keller des Gotteshauses in aufgeheizter und geradezu surrealer Atmosphäre Ringkämpfe ausgetragen. Einer, der den Zauber und Lärm des Spektakels aus der Menge heraus mit ebenso großer wie naiver Begeisterung verfolgt, ist der zwölfjährige Jessy. Schließlich träumt er davon, selbst ein Ringkämpfer zu werden, in die Arena zu steigen und die Gegner auf die Matte zu werfen, so wie es sein Idol Firestorm tut.
In dieser Gegend Montreals ist Ringen so etwas wie ein geheiligter Volkssport geworden – die populärste Freizeitunterhaltung für eine Bevölkerung, die in Armut lebt, und zugleich eine Metapher für ihren täglichen Überlebenskampf. Jessy zum Beispiel muss gerade damit fertigwerden, dass seine drogensüchtige Mutter Maryse die Familie verlassen hat. Jessys Vater Claude versinkt allmählich in seiner Hilflosigkeit, der ältere Bruder Sam handelt mit Drogen, die Schwester Kelly kommt mit der Pubertät nicht klar. Eine eher bedenkliche Sicherheit findet Jessy allein durch seine Freundschaft zu Jacques, einem zwielichtigen Freidenker, der in einem nahen Park eine Pennerexistenz führt. Zugleich gehen dem Jungen langsam die Augen auf: was die Wahrheit über Jacques betrifft, den Drogenhandel seines Bruders und das Schicksal seiner Mutter. Schlimm wird es für ihn, als Sam ihn dazu zwingt, als Drogenkurier zu fungieren. Doch Jessy ist ein Kämpfer. Natürlich muss es im Leben auch Verlierer geben, damit es Gewinner geben kann. Aber wie beim Ringkampf kann man manchmal auch im Leben seinem Schicksal entkommen.
(Berlinale)